No business like showbusiness

Was Kreuzfahrer an großartigen Shows an Bord eines AIDA-Schiffes erleben, entsteht lange vorher in kreativer Kleinarbeit im AIDA Entertainmenthaus. hamburg cruise mag blickte hinter die Kulissen.
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„Entertainment? Kaum ein Begriff ist so sehr mit dem Namen AIDA verbunden. Seit dem  Bestehen der Reederei prägt die Unterhaltung maßgeblich das Urlaubserlebnis an Bord.“

 

„Not too soft, gentlemen!“ Holger Kolodziej reckt hinter seinem Piano die Arme schwungvoll in die Höhe. „More effort“, treibt er die männlichen Ensemble-Mitglieder während der Gesangsprobe an. Den weiblichen Stimmen empfiehlt er, weniger C-Note zu singen. Andrew, James, Bart und Briony, Déanna und Marika nicken, wischen auf ihren iPads die Notenblätter zum Anfang zurück und setzen neu an. Kolodziej, der musikalischer Leiter der sechs AIDA-Solisten, schaut zufrieden. Aber noch entlässt er seine Eleven nicht, einige Male wird er sie an diesem Morgen noch das Stück wiederholen lassen. Die jungen Leute albern zur Entspannung kurz herum, sind aber sofort wieder konzentriert bei der Sache.

Wir befinden uns bei einer Gesangsprobe in einem wunderschönen alten Volksschulgebäude in der Seilerstraße in Hamburg, mitten auf dem Kiez in St. Pauli – heute Sitz von AIDA-Entertainment, dem Bereich von AIDA Cruises, der seit 2001 für das gesamte Entertainment­angebot an Bord der AIDA Flotte verantwortlich ist.

Entertainment? Kaum ein Begriff ist so sehr mit dem Namen AIDA verbunden. Seit dem  Bestehen der Reederei prägt die Unterhaltung maßgeblich das Urlaubserlebnis an Bord. Vor sechs Jahren stieg Borris Brandt, ehemaliger Programmdirektor von Pro 7, als Geschäftsführer bei AIDA-Entertainment ein und ist seitdem für das gesamte Showprogramm der zwölf AIDA-Schiffe verantwortlich: Unter seiner Ägide entstehen rund 83 Formate mit 570 Darstellern pro Jahr – eine gewaltige Aufgabe. Neben beliebten Quizshows wie „Wer wird Millionär“ und der für die AIDA-Flotte adaptierten Gesangsshow „The Voice of the Ocean“, Band-Auftritten und namhaften Gastkünstlern bildet die eigens für AIDA konzipierten Shows den Mittelpunkt einer jeden Schiffsreise.

Die Shows basieren auf Tanz, Gesang, Akrobatik und den aufwendigen Kostümen. Was auf der Bühne begeistert, entsteht hier im Entertainmenthaus durch ein großes Kreativ-Team, das aus Produktionsleitung, Künstlerischer Leitung, Choreografen, Regisseuren, Kostüm- und Bühnenbilddesignern, Komponisten und Musikproduzenten, Licht- und Tondesignern und Drehbuchautoren besteht. Bevor die Shows an Bord gehen und dem Gast täglich ein einzigartiges Erlebnis bieten, müssen sie hier produziert und künstlerisch wie technisch bis zur Bühnenreife einstudiert werden. Da jeder Künstler, der zum festen AIDA-Ensemble gehört, in mehreren Shows auftritt, wird ein hohes Maß an Können und Vielseitigkeit erwartet. Der Bedarf an guten Künstlern ist bei AIDA deshalb groß – inzwischen werden für die Rekrutierung weltweite Castings in New York, Montreal, London, Hamburg, Kiew und Amsterdam durchgeführt.

Über ein Casting in Amsterdam kam auch Bart Mijnster zu AIDA. Seit Anfang März ist er unter Vertrag und freut sich auf sein Engagement an Bord – für ihn ist es das erste Mal auf einem Kreuzfahrtschiff. Der Niederländer kennt das Show-Business aus dem Eff-Eff, hat nach einem Studium in „Leisure Management“ 12 Jahre lang bei einem Unternehmen gearbeitet, das Theaterstücke, Shows und TV-Formate entwickelte und produzierte und in dieser Zeit alles gemacht, was bei AIDA Entertainment im Großen geschieht: Drehbücher und Songs schreiben, Kostüme entwerfen, Shows produzieren.

„Einstudiert wird das Show-Repertoire von den Sängern und Tänzern übrigens getrennt, aber später beim ‚Put-in’ wird alles hier zu einem Stück zusammengefügt.“

Als Ensemble-Mitglied von AIDA ist sein Job allerdings: das Singen. Trotz jahrelangem Gesangsunterricht hatte der 32-jährige darin lange keine Ambitionen. Bis er in einer Theatergruppe, in der er mitspielte, kurzfristig die singende Hauptrolle übernehmen musste.
„Es war ein Sprung ins kalte Wasser“, lacht der sympathische Niederländer, „ aber es ging gut, und ich entdeckte eine neue Leidenschaft“. Und zum Glück müsse er ja nicht tanzen, sondern nur als „Mover“ agieren. Mover? „Damit die Sängerinnen und Sänger in einer Show neben den Tänzerinnen nicht steif wirken, bekommen sie Unterricht, in Tanzschritten, geschmeidigen Bewegungen – sogenannten Movements“, erklärt Bart. Da müsse er heute Nachmittag noch hin.
Movements, Choreografien und Artistik werden in dem vor vier Jahren hinzugekommenen knallroten Neubau einstudiert, der nur einen Straßenzug entfernt liegt. Auf 4.360 Quadratmetern sind dort über sieben Etagen Probenräume und Artistenbühnen untergebracht, alle ausgestattet mit modernster Technik. In den Probenräumen, die fast so groß sind wie Turnhallen, sind die jeweiligen Bühnen der AIDA-Schiffe eingezeichnet. „Jede Bewegung, jeder Schritt, jede Position sitzt – das sind alles Profis“, erklärt Melanie Sievers, Manager Entertainment Communication bei AIDA. „Einstudiert wird das Show-Repertoire von den Sängern und Tänzern übrigens getrennt, aber später beim ‚Put-in’ wird alles hier zu einem Stück zusammengefügt.
Für jedes neue Show-Konzept hat man im Schnitt acht bis zehn Monate Zeit. Bevor es aber in das neue Repertoire von AIDA einfließt, setzt sich zunächst das kreative Räderwerk innerhalb von AIDA Entertainment in Gang. Eines dieser vielen Räder sind die Bereiche Kostümentwicklung und -produktion. Wenn ein Show-Konzept steht, erhält Michael Berndt, Manager Costume Development bei AIDA und verantwortlich für die Schnittmuster- und Musterentwicklung, die Figurinen bzw. Design-Skizzen der einzelnen Rollen. Für jedes Kostüm wird zunächst ein Prototyp entworfen. „Bevor es in die Serienproduktion geht“, so Berndt, „wird es bei einer Anprobe bis ins kleinste Detail perfektioniert.“ Das Aussehen und die Funktionalität eines Kostüms – darauf käme es an, erklärt er. „Die Künstler müssen sich wohl in ihrem Outfit fühlen und Bewegungsfreiheit haben.“

Außerdem müsse das Kostüm gut verarbeitet, belastbar und mit schnellen Griffen veränderbar sein. Denn immer wieder wechseln die Künstler, und das jeweilige Kostüm müsse angepasst werden. Hosen zum Beispiel, die in den Rock’n’Roll-Shows besonders an den Knien strapaziert würden, seien  so konzipiert, dass sich unkompliziert die Knieteile auswechseln ließen. „So spart man Zeit und Material“, erklärt Berndt. Spätestens aber nach sechs Jahren – übrigens auch der durchschnittlichen Lebensdauer einer Show – würden die meisten Kostüme ohnehin ausgemustert.

Wie eine zweite Haut muss das Kostüm vor allem bei den Aerial-Akrobaten sitzen. Wer ihnen in dem lichtdurchfluteten Raum mit den kirchenfenstergroßen Eckverglasungen bei der Probe zuschaut, weiß warum. In mehreren Metern Höhe führen die  AIDAprima-Artisten, die aus der Ukraine, Kambodscha und den USA stammen, ihre atemberaubende Akrobatik an Tüchern, Strapaten (Bändern) oder Trapezen vor und scheinen die Gesetze der Schwerkraft auszuhebeln. Es ist faszinierend, wie kraftvoll und mit welcher scheinbaren Leichtigkeit sich die fünf bewegen. Jeder Handgriff, jede Beinbewegung, jede Wickelung mit dem Band muss sitzen – allein auf ihr Körpergefühl und Können sind die Künstler hier angewiesen. Eine Sicherung mit Netz oder Gurt gibt es nicht. Schlecht sitzende Kleidung wäre hier ein Risiko.

Noch etwa vier Wochen, dann gehen alle AIDA-Stars, wie sich die Ensemble-Künstler der AIDA-Flotte nennen, an Bord von AIDAprima. Vier Wochen, die ihnen noch für die Proben ihrer Showeinlagen bleiben. „Pro Show haben wir exakt eine Woche Zeit, um sie einzustudieren“, sagt Gesangs-Solist Bart. Vier fehlten noch vor ihrem Auftritt auf der großen Bühne von AIDAprima, dem Theatrium. Heute geht es um das sehr emotionale Schlusslied der großen Willkommensshow an Bord. Als die sechs Solisten am Ende der eineinhalbstündigen Probe noch einmal ansetzen, wirkt Holger Kolodziej zufrieden. „Very nice“, lobt er. Ja, very nice. Und sehr bewegend – trotz der eher nüchternen Umgebung im Probenraum. Wie wird es erst es an Bord sein, im Scheinwerferlicht, mit glamourösen Kostümen und opulentem Bühnenbild: ein Moment zwischen Gänsehaut, Faszination und Begeisterung. Genau so, wie der Gast sich nach einer guten Show fühlen sollte – wie es Borris Brandt einmal formuliert hat.

Fotos: Ralph von Kaufmann