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An uns kommt keiner vorbei

Wenn ein Kreuzfahrtschiff in den Hamburger Hafen kommt, übernehmen Lotsen das Schiff und bringen es sicher an die Pier. hamburg cruise mag war auf der Brücke der Mein Schiff 1 dabei.

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Um 6.30 Uhr soll die Mein Schiff 1 in Steinwerder anlegen.

Eine gute Stunde vorher fahren die beiden Lotsen dem Cruiser auf der Elbe entgegen und steigen kurze Zeit später durch eine Öffnung an Bord der Mein Schiff 1.

Als Donatus Kulisch an diesem Junimorgen an seinen Arbeitsplatz kommt, dämmert es noch – wie so häufig bei Dienstbeginn. Kulisch ist 2. Ältermann der Hamburger Hafenlotsenbrüderschaft. Sein Dienstort: das Lotsenhaus Seemannshöft, ein unter Denkmalschutz stehender Backsteinbau auf einer Landzunge in Finkenwerder. Keines der 40 Kreuzfahrt- oder Handelsschiffe, die täglich den Hamburger Hafen anfahren, kommen an ihm oder seinen 71 Kollegen vorbei. Denn die Lotsen verfügen über das, was den Kapitänen auf den Schiffen fehlt: genaue Ortskenntnisse. „Von uns erhalten sie Informationen über den Verkehr im Hafen, die Strömung und Wassertiefen“, erklärt Kulisch. Vor allem auf der Höhe der HafenCity und Altona gebe es starke Sedimentation. „Wir erhalten regelmäßig aktualisierte Karten von der Hamburg Port Authority“, so Kulisch und deutet auf seinen Portable Pilot Unit, auf dem er diese Karten mit Bodenrelief aufrufen kann.

Zeit für den ersten Einsatz am Morgen. Kulisch geht in den Tower. „Und, hat sie sich schon gemeldet?“ „Sie“, das ist die Mein Schiff 1, deren Ankunft
um 6.30 Uhr am Terminal Steinwerder angekün- digt ist. „Hat gerade die Landesgrenze passiert“, teilt ihm der diensthabende Wachleiter mit. Durch seine im 180 Grad-Winkel angeordnete Fensterfront plus sieben Bildschirme inklusive Radar und Funk beobachtet er den gesamten Schiffsverkehr auf der Elbe und im Hafen.

Inzwischen ist es Viertel nach fünf. Mit seinem jüngeren Kollegen Focko Osterkamp geht Kulisch zügig zum Anleger der Lotsenstation, wo er vom Lotsenboot abgeholt und zum Kreuzfahrtschiff gebracht wird. Die Sonne geht auf, ein stimmungsvoller Moment. Als sie auf der Brücke der Mein Schiff 1 ankommen, werden sie von Kapitän Rolf Johannes Noack begrüßt. Der Kapitän und Kulisch tauschen sich kurz aus und machen den Master Pilot Exchange, den Abgleich der Schiffsdaten plus Manöverbesprechung. Kulisch übernimmt das Steuer – kein Problem für ihn. Als Lotse besitzt er das Kapitänspatent und jahrelange Seefahrtspraxis. Noack kann sich indes für ein paar Minuten mit seiner Brückencrew zurückziehen und das Anlegemanöver besprechen.

Alles Weitere spielt sich fast lautlos ab. Jeder weiß, was er zu tun hat. Jeder hält seine Position.

Ab
 und zu gibt es kurze Zurufe oder knappe Wortwechsel zwischen Lotse und Kapitän – ohne eine Spur von Anspannung. Ein top eingespieltes Team. Die größte Herausforderung an diesem Morgen ist, das Schiff in den Drehkreis zu bringen – der einzige Punkt, an dem es im engen Hafen gewendet werden kann, um den Kurs zum Anlegen einzunehmen. „Drei Dinge sind dafür wichtig“, erklärt Kulisch, „Positionierung, Geschwindigkeitskontrolle und den ‚rate of turn’, die richtige Drehgeschwindigkeit.“ Letzteres kontrolliert er auf einem Bildschirm. Für den Unkundigen in Nautik klingt das, was er dann im Detail beschreibt, wie Mathematik. Inzwischen ist Wind aus Südwest aufgekommen. „Wie üblich“, kommentiert Kulisch. Es scheint ihn nicht zu beunruhigen. „Erst ab Windstärke 5 wird es wirklich brenzlig“, erklärt er. Dann empfehle er Schlepper zum Einparken. „Bei 6 bestehe ich sogar darauf“, fügt er hinzu.

Beim Anlegen der Mein Schiff 1 hält Lotse Kulisch per Funk Kontakt zum Terminal.

Die Arbeit auf der Brücke spielt sich fast lautlos ab. Jeder weiß hier, was er zu tun hat.

Eine Karte mit Bodenrelief zeigt die aktuellen Wassertiefen im Hamburger Hafen an.

Als sich das Schiff zu drehen beginnt, spürt man es kaum, so reibungslos verläuft es. Plötzlich gibt der Kapitän sein Steuer in der Mitte der Brücke auf und verlegt sein Manöver an das Fahrpult auf der Backbordseite.

Von hier aus hat er die Anlegeseite des Schiffes und das Terminal Steinwerder im Blick. Seine 1. Offizierin tritt auf die Nock und kommuniziert per Funk mit dem 2. Offizier. Der steht auf Achtern und kontrolliert die Entfernung zur Landspitze. Noch hat das Schiff seinen endgültigen Kurs zum Anlegen nicht erreicht. Furchtbar viel Platz vom Heck bis zur Landspitze ist da nicht. Derartige Manöver sind Maßarbeit. Zwei Knoten fährt das Schiff nun – zum Einparken ideal.

„Fantastisch, diese Maschine“, lobt Kapitän Noack sein Schiff. Es klingt fast zärtlich. Während er manövriert, hält Kulisch Kontakt zum Terminal und zu den Bootleuten, die das Schiff später an den Kaianlagen befestigen sollen.

Der Terminal gibt durch, zwischen den Metermarken 20 und 284 einzuparken. Daran muss die Crew sich halten, damit der Ausgang auf der Höhe Passagierbrücke liegt. Noch fehlen ein paar Meter zur Parkposition, als zwei barkassenähnliche Schiffe an der Steuerbordseite auftauchen. „Das Müll- und Bunkerboot zum Auftanken“, erklärt Osterkamp, „die stehen alle bereit, jede Minute zählt.“ „Garbage“, ruft in diesem Moment Kapitän Noack laut über die Brücke. Wer immer auch gemeint ist, der Verantwortliche wird es wissen. An Bord herrschen klare Zuständigkeiten.

Als die Mein Schiff 1 befestigt ist, ruft der Kapitän „Finito“. Die Arbeit für ihn und seine Brückencrew ist erst einmal getan. Nach einer langen Nacht können sie sich endlich schlafen legen. Jetzt sind andere dran. Als Osterkamp und Kulisch von Bord gehen, ist es 6.35 Uhr. Osterkamp fährt zu seinem nächsten Einsatz in Harburg, Kulisch zurück zur Lotsenstation. Ab 6 Uhr ist Rush-hour auf der Elbe.

Foto: Ralph von Kaufmann